Mein armer, alter Pegasos
In diesem Jahr, es war grad zum Verzagen,
Mein Geist und Hirn erschienen mir wie leergefegt.
Mein Pegasos, er wollte nicht einmal mehr traben,
Er sei ja schließlich auch nicht mehr das jüngste Pferd.
So stand er vor mir, seine Flanken bebten,
Sein weißes Fell, es glänzt‘ vom kalten Schweiß,
Und seine Stimme zitterte beim reden,
In kurzen Stößen ging sein Atem, feucht und heiß:
Gestank von Krieg und Tod verklebten ihm die Nüstern,
Die Welt um ihn herum werd‘ immer düsterer und kalt,
In Moskau drohe eine Petersburger Ratte mit Apokalypse,
Derweil Amerika grad wie von Sinnen tanze um ein blondes Kalb.
Die Lüge werde immer stärker zur Maxime,
Der Hass entwick‘le sich zur allgemeinen Umgangsform,
Und durchgeknallte, völlig asoziale Milliardäre
Erhöben selber sich zur absoluten Norm.
Sie definierten sich als Maßstab aller Dinge,
Und setzten Recht, Gesetz und Ordnung außer Kraft,
Nur sie bestimmten nun alleine die Regime,
Gestützt auf Speichellecker als der neuen Bürgerschaft.
In dreister Weise diffamierten sie nun auch Europa,
Und schwadronierten ständig von der neuen Ordnung ihrer Welt.
Doch diese, ihre neue Ordnung führt geradewegs uns nach Dystopia,
Und deshalb stehe nun Europa wiedermal am Scheideweg.
Denn bald schon träfen sich bei Beduinen die zwei Mafia-Paten
Und schacherten um unsre Welt grad wie auf dem Basar,
Und Frau Europa sitze dann zuhause, wage kaum zu atmen:
Was einst so hoffnungsvoll begann, scheint zu zerrinnen nun mit einem Mal.
So sprach mein Pegasos. Er habe Angst um unsre Zukunft.
Für welchen Weg wird Frau Europa sich entscheiden?
Lenkt sie den Stier, auf dem sie reitet, mit Vernunft,
Lässt sich von demokratisch-humanistischen Prinzipien leiten?
Besinnt sie sich auf ihre Stärken, ihre wahre Größe
Und bietet mutig und geschlossen diesem Rattenpack die Stirn?
Oder legen ihre Kinder mutlos ihre Hände in die Schöße,
Ergeben sich gefügig einem bösen-kleptokratischen System?
Dann müssen Dichter und auch Narren wieder schweigen,
Und keine Musenrösser werden euch zum Quell der Dichter tragen,
Kein Narr, kein Dichter will doch seine Zeit sich in Sibirien vertreiben.
Wir Pegasoi taugen bestenfalls dann noch als Sauerbraten.
So sprach mein Pegasos und Tränen füllten seine Augen.
So krank und elend hatte ich ihn nie zuvor erlebt.
In diesem Zustand konnte er mir wirklich nicht zum Reiten taugen.
Ich kann nur hoffen, dass er diese Krise übersteht.
Und außerdem, so hat er weiter mir berichtet,
allein die späten Folgen der Corona-Infektion,
sie hätten seinen Geist und Körper schon so furchtbar zugerichtet,
jetzt leide er sogar an depressiver Fastnachts-Aversion.
Ja, alte Musenrösser sind sensibelste Gestalten,
ich werde ihn nun pflegen und mit Sorgfalt darauf sehn,
wie kann ich übers Jahr ihn stets bei Laune halten,
auch soll er immer gut im Futter stehen, außerdem.
Ein Mosel-Riesling und auch Weißburgunder aus Rheinhessen,
Das wird ihn heilen und regt seine Lebensgeister an,
ich habe das Verfahren schon einmal an ihm getestet,
nur schade, dass er seitdem nicht mehr gerade fliegen kann.
So führe ich ihn nun an langer Leine,
mal grast er hier, und mal am Moselstrand,
und abends sitzen wir zwei Alten dann beim Weine,
erinnern uns ans Fliegen und auch sonst so allerhand.
(von E.M. Deutsch, dem allerscheenste Moselaner in Mainz 2025)